Von wegen “wenig Einfluss auf die Luftqualität in der Schweiz”: PM2.5-Messwerte vom 06.-12.06.2025 in Zürich-Affoltern. © Atemluft.net
Wie hoch die Luftqualität und die Volksgesundheit in der Schweiz gewichtet wird, zeigt sich aktuell bei den öffentlichen Reaktionen auf den drastischen Anstiegs der Feinstaubbelastung wegen der Waldbrände in Kanada. Die mit dem Jetstream über den Atlantik nach Mitteleuropa verfrachteten Russpartikel sorgten nicht bloss für eine Trübung des Himmels, sondern führten zu einer Überschreitung des gesetzlichen PM10-Tagesmittel-Grenzwertes von 50 µg/m3, der laut Luftreinhalteverordnung (LRV) maximal dreimal im Jahr überschritten werden dürfte; weiter gilt für PM10 ein (ebenfalls regelmässig überschrittener) Jahresmittel-Grenzwert von 20 µg/m3. Und für die lungengängigen und deshalb gefährlicheren PM2.5-Partikel gilt in der Schweiz laut LRV aktuell ein (ebenfalls regelmässig überschrittener) Jahresmittel-Grenzwert von 10 µg/m3 – der WHO-Grenzwert liegt allerdings seit 2021 bei 5 µg/m3 – das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK (PDF) “prüft” seit 2023 eine entsprechende Anpassung …
Atemluft.net konstatierte bereits am Pfingstsonntag 08.06.2025 um die Mittagszeit einen markanten Anstieg der PM2.5-Feinstaubwerte, der sich die folgenden drei Tage weiter fortsetzte und erst in der Nacht auf Donnerstag, 12. Juni, abflachte, um danach wieder massiv anzusteigen – diesmal auch wegen Saharastaub (siehe Messwerte oben).
Derweil redeten die Medien die gesundheitsgefährdenden Tatsachen klein:
“Gefährlich ist der Rauch derweil nicht. Die Rauchpartikel werden in den höheren Luftschichten transportiert. So beeinträchtigen sie die Luftqualität kaum.” (sda-Meldung, Tages-Anzeiger 09.06.25 – in den LeserInnenkommentaren wird dann allerdings mehrfach auf die hohe Belastung in Bern hingewiesen.)
“Auf dem Jungfraujoch in den Berner Alpen liegt die Feinstaubkonzentration mit 57 Mikrogramm pro Kubikmeter leicht über dem Grenzwert, wie der Wetterdienst Meteonews Schweiz am Montag auf X mitteilte.” (watson.ch 10.06.25)
Bis Umwelt Zentralschweiz am 11.06.25 die lokale Bevölkerung – nachträglich – warnte: “Durch den aktuellen Hochdruckeinfluss und der daraus resultierenden Absinkbewegung der Luft wird der Rauch bis in bodennahe Schichten transportiert.”
Und vorbildlich gleich auch anschauliche Messwerte aus Luzern mitlieferte:
Obige Meldung von Umwelt Zentralschweiz wurde dann auch von weiteren Medien aufgegriffen, u.a. in der NZZ am 11.06.2024, die allerdings gleich wieder abwiegelte: “In Kanada und den benachbarten Vereinigten Staaten von Amerika kann dieser Rauch gefährlich werden. Empfindliche Gruppen wie ältere Menschen oder Asthmatiker spüren die beeinträchtigte Luftqualität schnell. In Europa beeinflussen die Rauchwolken die Luftqualität weniger. Dennoch erreichte die Feinstaubbelastung gerade in Süddeutschland besonders hohe Messwerte. In der Schweiz registrierte das Bundesamt für Umwelt (Bafu) am Mittwochmittag erhöhte Werte im Wallis, rund um Lausanne, Bern und La Chaux-de-Fonds.” Aber sicher doch nicht in Zürich …
Ein Beispiel für Messwerte in Zürich mit mehr als dem 5-fachen des CH-Jahres-Grenzwerts für PM2.5 (und mehr als das 10-fache des WHO-Jahres-Grenzwerts). © IQAir
Etwas besser eine (offenbar weniger verbreitete), weitere sda-Meldung vom 11.06.2025, hier auf Swissinfo, explizit mit Bezug auf PM2.5: “Dem Schweizer Umweltunternehmen IQAir zufolge ist insbesondere die Feinstaubbelastung erhöht. […] Auch an zahlreichen weiteren Messstationen in der ganzen Schweiz betrug die Konzentration mehr als das Fünffache des Jahresrichtwerts – so etwa in Basel-Binningen und Payerne VD. […] Insgesamt stufte das Umweltunternehmen die Luftqualität an einigen Stellen als «ungesund» oder als «ungesund für empfindliche Gruppen» ein […].”
PM10-Belastung (gleitender Tagesmittelwert ) am 11.06.2025 in der Zentralschweiz: Vielfach über dem Tagesmittel-Grenzwert von 50 µg/m3 (=gelbe bis gelb-organge Flächen). © in-luft.ch (Die PM2.5-Belastung kann hier – wie auch in der offiziellen Schweizer airCHeck-App – nach wie vor nicht angezeigt werden.)
Fazit: Von behördlicher Seite existiert keine vorausschauende Strategie, wie die Bevölkerung über aktuelle Veränderungen der Luftqualität informiert und zukünftig vor solchen gesundheitsgefährdenden Ereignissen zeitnah gewarnt wird. Bezeichnenderweise entwickelte sich im Nachgang in der Kommentarspalte auf watson.ch eine rege Diskussion über den Preis von Luftreinigungsgeräten.